Flammen des Glücks
Flammen und Zucker umarmen die Aprikosen, die gerade auf dem kleinen Tisch neben mir ihren Weg in die heisse Pfanne gefunden haben. Als die Dessertkarte eben vor mir verschwunden ist, kurz darauf ein kleiner Tisch aufgebaut wurde und nun vor unseren Augen eingelegte Aprikosen in Zucker und Zwetschgenschnaps in den Flammen über dem Gas geschwenkt werden, tanzt mein Herz. Und einen richtigen Tango legt es aufs Parkett, als ich eben diese Aprikosen mit Vanilleeis und gerösteten Mandeln kombiniere. Dieses Geschmackserlebnis lässt sich nicht in Worte fassen. Deshalb erinnere ich mich lieber daran und trage das Glück im Bauch mit mir in die Lobby. Hier setzen wir uns mit dem letzten Glas Wein auf die Sessel und lauschen den Tönen des Pianos, an dem ein Pianist schon den ganzen Abend spielte. Uns gefallen die Stücke und weil Shazam aus einem Song acht verschiedene vorschlägt, legen wir das Handy beiseite und lauschen einfach, um dann glückselig drei Stockwerke weiter oben ins grosse, weiche Bett zu fallen. Bevor ich mich endgültig vom Tag verabschiede, lasse ich den Tag noch einmal Revue passieren. Aus Olten ging es für uns mit dem Zug nach St. Moritz. Vorbei am Mittelland Richtung Chur und ab durch die Alpen. Vier Stunden später hiess es: Hallo St. Moritz, hallo Badrutt`s Palace. Das majestätische Haus ist für seine Geschichte und seine Besucher aus aller Welt bekannt. Es erwartete uns mit seinen hohen Decken, alten Gemälden, Skulpturen und riesigen Fensterfronten in der Halle des Hauses, des Schlosses. Eine Zeitreise auch beim Abendessen. Hier sitzen wir nach einem entspannten Tag im Spa erholt an der grossen Fenster front und stossen mit Weisswein an, während in der Halle der Pianist für eine ruhige musikalische Begleitung sorgt. Es ist 21.14 Uhr, in der Fensterfront spiegeln sich Lampe und Kerze und in der Ferne funkeln die leuchtenden Fenster von St. Moritz Bad in der Dämmerung. Der St. Moritzersee liegt ruhig am Fusse des Hügels auf dem das Badrutt`s Palace thront und wir speisen direkt am Fenster zum Balkon, der an diesem Abend nicht bedient wird. Es ist Juli, aber die Schweiz und Europa kämpfen mit starken Regenfällen. Und so sitzen wir hier bei Kerzenschein und geniessen gemütliche Herbststimmung im Sommer, während die Bergkette auf der anderen Seite des Sees langsam in die Nacht verschwindet. Dann kamen die Aprikosen. Und ich erinnere mich an das Glück im Bauch, schliesse die Augen und freue mich auf morgen.
Im blauen Gewand
Glocken läuten, Vögel zwitschern. Nach einem Besuch im Dampfbad und dem ersten Saunagang fährt mein Puls langsam runter. Meine Füsse berühren den kühlen Boden, während ich auf der ebenso kühlen Steinbank sitze. Augen zu. Gedanken aus. Glocken läuten, Vögel zwitschern. Draussen, in der Ferne, dreht wohl gerade eine Kutsche ihre Runden, während ich hier sitze und mein Blick langsam den hohen Schacht hinauf wandert. Ich sitze im Frischluftraum des Spa-Bereichs. Letzterer wurde vor kurzem aufwändig erneuert und erweitert. Durch das obere Ende des Schachts habe ich freien Blick auf den Himmel. Hier unten, am unteren Ende des Schachts: Ich, ein Fan von Hitze und nur selten in der Kälte zu finden, hier unten sitze ich und geniesse die angenehme Kühle, die Stille. Augen zu. Gedanken aus. Langsam stehe ich auf und suche meine Kollegin. Ich finde sie im Ruheraum. „Oh mein Gott, leg dich mal auf diese Liege. Die ist sooo weich!“ - was für eine Begrüssung. Also lege auch ich mich hin, blicke von der weichen Liege auf die grosse Glasfront, die schräg Richtung Himmel gerichtet ist, und Himmel sowie Tannen einen perfekten Rahmen gibt.
Der Spa des Waldhauses bildet einen scharfen Kontrast zum traditionellen Haupthaus mit seiner langen Geschichte. Gross, clean und sehr modern sind die Räume mit den Saunen, Badebecken und Dampfbädern. Während der Saunabereich im Badrutt`s Palace klassisch mit dunklem Holz und tiefen Decken daher kommt, erwarten uns im Waldhaus hohe Decken, helle Fliesen, helles Holz und viel Glas. Im Haupthaus hingegen erwarten uns Teppiche, bequeme Sessel, lange Vorhänge und dunkles Holz. Nach dem Grundsatz «Respekt vor der Geschichte und Mut zur Entwicklung» wurde die Vergangenheit des Hauses mit ins Hier und Jetzt gebracht. Wer aufmerksam ist, findet die Geschichte auf dem Weg durchs Haus: Alte Telefonkabinen und Tafeln, die früher angezeigt haben in welchem Zimmer die Nachttöpfe ausgetauscht werden mussten. Was sich über die Jahrzehnte auch nicht geändert hat? Der Familienbesitz. Noch heute ist das grosse Haus, das in den Berg gebaut wurde, im Familienbesitz. Bereits in fünfter Generation führen aktuell die Brüder Patrick und Claudio Dietrich das Hotel. Vorher waren es Urs Kienberger mit seiner Schwester Maria Dietrich Kienberger und ihrem Mann Felix Dietrich-Kienberger. Urs Kienberger trifft man hier auch heute noch an: Beim Frühstück zum Beispiel spaziert er von Tisch zu Tisch um persönlich einen guten Appetit zu wünschen. Und an der Rezeption? Da wird jeder Gast von einem Familienmitglied begrüsst und verabschiedet.
Den Spa-Tag beenden wir im Wohnzimmer des Hauses, wie die Eingangshalle mit den einladenden Sesseln und Sofas liebevoll genannt wird, und setzen uns in die Nähe des „Trio Cseh“, das den Raum mit Piano, Bass und Geige mit leichten Klängen erfüllt. An einem Tisch wird gelesen, andere hören aufmerksam zu, wieder andere unterhalten sich leise zu ihren letzten Getränken des Tages. Auf unseren Magen, den wir gerade im neuen Restaurant „Gigers“ mit Raclette und einem Lillet Spritz glücklich gemacht haben, bestellen wir uns noch einen letzten „Bramble“ und entscheiden uns dem Trio zu lauschen.
Danach kehren wir in unser Zimmer zurück, das uns seinen bereits geschlossenen blauen Vorhängen empfängt und fallen ins Bett, um uns für den nächsten Tag und einen Spaziergang zum Silsersee auszuruhen.
Pancakes, Crêpes und Panache
„An dem Wochenende ist das Parkfest“, „Besuche bitte den roten Eisenbahnwagen im Dorf!“, „Wusstet ihr schon, dass unser Spa seit einem Monat geöffnet ist?“. Wir merken schnell: in Bergün erwartet uns ein bunter Strauss an Möglichkeiten, den wir gern entgegen nehmen. Bevor wir uns ins Getümmel des Parkfests stürzen, starten mit einem Powernap im Zimmer im ersten Stock ganz links - von vorne betrachtet - und beobachten anschliessend vom Balkon das bunte Treiben im Park vor dem Haus. Das Parkfest bietet dieses Wochenende Zirkus-Theater am Nachmittag, Live-Musik am Abend und Yoga am Morgen. Für letzteres sind wir aber zu müde und entscheiden uns nach einer Tour durchs grosse Haus für 10 Stunden Schlaf. „Ausschlafen? In einem Haus voll Kinder?“, warnt uns Christof, der Gastgeber des Hauses, am Abend vorher lachend. Wir überzeugen ihn vom Gegenteil und verbringen nach dem Abendessen am Buffet und einem Abendpanache auf der grossen Eingangstreppe und in der gemütlichen Bar viele erholsame Stunden im Land der Träume.
Das Programm für den letzten Tag? Ein Frühstück, das glücklich macht. An der Pancake-Station mache ich uns frische kleine Pfannkuchen, während sich eine andere junge Frau neben mir für Waffeln entscheidet. Dann hänge ich unsere frischen Frühstückseier zum Kochen in den grossen Topf. Sieben Minuten später stärken wir uns an unserem kleinen Tisch im Frühstücksraum für ein paar weitere Stunden im gerade eröffneten Spa. Denn aller guten Dinge sind drei. Und so spazieren wir über den Hof in die Spa-Anlage mit zwei Aussenpools - einem warmen und einem eiskalten - einem Ruhehäuschen und der Sauna mit Eispool im Eiskeller unten drunter. „Die Steine, die den Boden bedecken, stammen übrigens aus dem nahegelegenen Fluss“, erzählt Christof am Abend vorher. Auf denen duschen wir dann bevor wir das Wechselspiel zwischen Sauna, Dusche, Eisbad und Whirlpool starten.
Mit einer warmen Wollmütze auf den noch feuchten Haaren machen wir uns drei Stunden später auf den Weg nach „Downtown-Bergün“, wie wir den Dorfkern des 500-Seelen-Dörfchens am Abend vorher im Gespräch mit Christof scherzhaft getauft haben, und besuchen den roten Eisenbahnwagen. Der entpuppt sich als kleiner Hofladen und wir nutzen die Gelegenheit uns Bergüner Käse und Wurst in Bioqualität für das Z`Nacht mitzunehmen. Die Reise beenden wir im Hof des Kurhauses. Am kleinen Crêpestand gibt es für uns französische Pfannkuchen mit Apfelmus und dazu einen Kaffee. Unter den wehenden Wimpeln, die zwischen den Bäumen gespannt sind, beenden wir diesen Ausflug in den Graubündener Herbstsommer auf Festbänken.