Hallo Vierwaldstättersee
Die blaue Stunde
Es ist ein Donnerstag im Juni, die Uhr zeigt 9.00 und von Olten aus geht es für meine Kollegin und mich heute an den Vierwaldstättersee. Eine Stunde Fahrt und eine herzlichen Begrüssung am Empfang später zieht es uns aus unserem kleinen Zimmer mit Seeblick direkt auf die Sonnenliege. Nach einigen verregneten Wochen sind für heute 23 Grad angesagt. Vor uns präsentieren sich die Berge und der See in strahlendem Sonnenschein, während am Steg vor dem Hotel ein blauweisses Schiff ablegt. An Bord ein paar Touristen und ich im Schatten des gelben Sonnenschirms.
Kurz darauf kommt unsere Gastgeberin die Treppe herauf und lädt zum Mittag im Garten unter den Kastanien. Hier stärken wir uns mit Blick auf den See für einen Nachmittag auf dem Wasser. Und hier lassen wir auch am Abend diesen ersten Tag ausklingen. Die Sonne verschwindet langsam hinter dem Berg am Ende des Sees, während uns der Hausherr die Geschichte des Weines näher bringt und die Gastgeberin uns empfiehlt, auch nach dem Sonnenuntergang sitzen zu bleiben. Denn die "Blaue Stunde" sei nach einem ohnehin schon schönen, leuchtenden Sonnenuntergang die Krönung eines jeden Tages. Wir bleiben und betrachten auch das orangene Spektakel vor dem Abschied des gelben Balls am Himmel. Und wir bleiben auch für ein Gespräch mit der Gastgeberin Pia Scherrer. Dazu wärmt uns ein Kräutertee, in der gerade anbrechenden kühlen Sommernacht. Pia Scherrer berichtet von der Geschichte des Hauses. Der Speisesaal war früher das erste Dansier der Region. Die Steine vor dem Haus wurden nach dem Neubau der Strasse wieder eingesetzt, auch wenn die Bauarbeiter nicht verstanden warum. Aber die Geschichte will erhalten bleiben. Und so knackt und knarzt der Fussboden und erzählt damit auf dem Weg Richtung Balkontür und Frühstücksaal mit jedem Schritt Geschichte. Für den Garten bereiten sie gerade vor, nach und zwischen dem Feierabend in freien Minuten Stühle auf. Bis dahin sorgen die alten Stühle mit ihrem auffälligen Rot für gute Laune unter den Kastanien. Während sie erzählt schaue ich gelegentlich an ihr vorbei durch die zwei Fenster des Speisesaals auf den See und die blaue Stunde. Sie hat Recht, das klassische Orange des Sonnenuntergangs ist strahlend schön, aber die blaue Stunde hat ihren ganz eigenen Reiz.
Wir verabschieden uns, fallen ins weiche Weiss des Bettes, während vor dem Fenster der Vierwaldstättersee ruht, und freuen uns auf morgen. Auf die Wanderung auf der Rigi, auf läutende Kuhglocken, strahlenden Sonnenschein und auf den Brienzer See. Denn für uns geht es weiter, zu See Nummer zwei.
Willkommen am Brienzer See
Morgenregenbogen & Libellentanz
24 Stunden später falle ich auch in Giessbach in eine weiche Wolke. Weiche Laken und viele Kissen umarmen mich, während der Giessbachfall vor der grossen Fensterfront rauscht. Nach der Wanderung über Vitznau auf der Rigi, ging es für uns mit dem Auto Richtung Giessbach. Ein Rezeptionist des Dreiergespanns hinter dem hölzernen Tresen begrüsste uns freundlich, verriet uns unser Zimmer, erklärte wo Frühstück und Abendessen zu finden seien und entliess uns in einen entspannten Tag. Bevor es Richtung Abendessen ging, verbrachten wir unsere Zeit mit ein wenig Arbeit auf dem Balkon mit Blick Richtung Wasserfall und See.
Und so gehts für uns nach einem entspannten Tag und einem gemütlichen Abendessen im kleinen Saal mit Blick auf die Giessbachfälle langsam Richtung Traumland. Sieben Stunden verbringe ich dann im Land der Träume auf meiner weichen Wolke namens Bett. Nach dieser erholsamen Nacht öffne ich die Augen, während das grosse Zimmer mit Erker mit strahlendem Sonnenschein durchflutet wird. Ich springe aus dem Bett, öffne die Flügeltür und bin überwältigt von der Morgensonne, dem rauschenden Wasserfall und dem Regenbogen unmittelbar davor und dem Brienzer See hinter den Baumkronen. Und damit habe ich einen neuen Lieblingsregenbogen. Den Morgenregenbogen. Den, der mich in der Morgensonne vor dem Giessbachfall im Tag willkommen heisst und verspricht, dass es ein guter wird. Den der den Blick zum Brienzer See noch schöner macht. Den, der keinen Regen braucht. Den der mich dazu bringt meine Kollegin aus dem Bett zu scheuchen, um ihr zu zeigen was ich sehe, um die Freude über diesen Morgen zu teilen. Und den Regenbogen, der uns beschwingt Richtung Frühstückssaal gehen lässt. Grosse Kronleuchter hängen von der hohen Decke. Die linke Seite schmückt ein einladendes Frühstücksbuffet, das alles bietet, was das Herz höher schlagen lässt: Pancakes, Gipfeli, Brötchen, Brot, Müsli, Joghurt, Kaffee, Tee und Säfte. Wir sitzen hinten an der Grenze zum Erker mit Blick zum Wasserfall, während die hohe verzierte Decke für Titanic-Feeling im grossen Saal sorgt.
Nach dem Frühstück und vor der Weiterreise geht es für uns an den Naturpool. Ich lese eine Weile auf der Liege, während meine Kollegin an ihrer Arbeit für die Uni tippt. Irgendwann zieht mich die Wärme ins kühle Nass. Ich wate zum Steg am anderen Ende des Wasserbeckens, lege meine Arme auf den weichen, warmen Holzsteg und lasse die Beine im Wasser schwerelos werden, während neben mir ein Molch auf dem Grund plantscht. Ich blicke über den Holzsteg hinweg: Zwischen den Gräsern luschern die Berge hervor, in der Ferne erahne ich den Brienzer See und hinter den ausladenden Bäumen steht das stolze Grandhotel. Vorne: rosa Seerosen und moosbedeckte Steine, die seelenruhig das Wasser filtern. Ich lasse mir die Sonne ins Gesicht scheinen und denke: hallo Sommer! Schön, dass du wieder da bist. Langsam öffne ich die Augen, blinzle Richtung Himmel, Richtung Seerose, Richtung Libelle. Eine kleine Libelle tanzt auf und um die farbigen Wasserblumen herum. Wenige Sekunden dauert das Spiel, wenige Sekunden, die sich in meine Erinnerung einbrennen. Leichtigkeit, weit weg der Alltag - obwohl der Laptop unweit von mir in der Tasche schlummert und mit Arbeit ruft. Arbeit, die jetzt warten kann. Denn die Libelle tanzt - und mein Herz hüpft.
Schön dich zu sehen, Genfer See!
Schlossgeschichten
Wir lassen Seerosen, Libellen, Regenbogen und Brienzer See hinter uns und machen uns auf zu See Nummer drei. Das Hotel Masson erwartet uns nach zwei Stunden Fahrt in Montreux. Das 1829 erbaute Haus ist umgeben von viel Grün und Blumen, die Farbakzente setzen und wir freuen uns auf einen entspannten Nachmittag. Mich zieht es allein ans Ufer des Genfer Sees. Die Nachmittagssonne lacht mir vom Himmel entgegen, am Ufer machen sich Fahrradfahrer:innen einen schönen Nachmittag, es wird gegrillt und gebadet.
Zum Wasserschloss zieht es meine Kollegin und mich später nach dem Abendessen für einen gemeinsamen Abendausflug im Sonnenuntergang. Eine Möwe meckert am Himmel und fliegt entlang des Sonnenuntergangs, der den Hintergrund des Gemäuers langsam in ein warmes Lila und Orange taucht. Das Wasser schwappt über die Steine am Fusse der Mauer, von der ich das Schloss betrachte, und sorgt für ein bisschen Urlaubsfeeling an der Grenze zu Frankreich. Während für uns die Reise langsam zu Ende geht, sind zwei junge Männer auf einer Bank ins Gespräch vertieft und ein Pärchen begibt sich langsam auf den Rückweg - vermute ich und geniesse die dritte blaue Stunde dieser Reise. Denn wenn ich eines auf dieser Reise gelernt habe, dann das Sonnenuntergänge am schönsten sind nachdem sich die Sonne hinter den Horizont verabschiedet und die Nacht eingeläutet hat.
Auch wir laufen irgendwann zurück, zurück ins Masson, waschen unsere vom Barfusslaufen dunklen Füsse und verabschieden uns von einem langen Tag. Ein letztes Frühstück erwartet uns am nächsten Morgen im kleinen Speisesaal. Familien, ältere und jüngere Paare starten hier gemeinsam zu Gipfeli, Brötli, Chäs und Konfi den Tag, während der Kaffee die müden Augen munter werden lässt. Mit einem Blick Richtung Grün vor dem Fenster, denke ich: „Danke, Vitznau, Giessbach und Montreux für die Gastfreundschaft. Ich kommen wieder. Tschüss Montreux und hallo Olten.“